Die systematische Variation innerhalb eines festen Regelwerks ist ein zentrales Prinzip der konzeptuellen Kunst. Während Sol LeWitt mit präzisen Anweisungen die kreative Idee von der Ausführung trennte, stellt sich für mich heute die Frage, wie dieses Prinzip im digitalen Zeitalter weitergedacht werden kann.
Diese Studie folgt diesem Gedanken. Ausgehend von einer einfachen Struktur—schwarze ovale Formen, durchbrochen von roten Querbalken—entstanden zahlreiche Variationen, die sich in Anzahl, Größe und Verhältnis der Elemente unterscheiden.
Die Anweisungen durch die KI erfolgen hier in Textform, die ich interpretiere und umsetze. So entsteht ein dialogischer Prozess zwischen Mensch und Maschine, bei dem die KI klare Regeln vorgibt, die ich in meinen eigenen Entwurf übersetze. Dies eröffnet einen Raum für die Interaktion zwischen vordefinierten Systemen und der kreativen, subjektiven Entscheidung des Künstlers.
Die entscheidende Frage im digitalen Zeitalter lautet: Ist die künstlerische Leistung die Formulierung der Regel, die Ausführung oder die bewusste Auswahl aus den generierten Varianten? Während eine KI tausende Iterationen berechnen könnte, bleibt die Selektion durch den Künstler entscheidend.
Dieser Ansatz knüpft an die Tradition der algorithmischen Kunst an, wie sie von Vera Molnár oder Manfred Mohr entwickelt wurde, verschiebt jedoch die Rolle des Künstlers hin zum Kurator oder Programmierer. Der Künstler definiert nicht nur das Regelwerk, sondern trifft auch Entscheidungen darüber, welche Varianten künstlerisch relevant sind. So entsteht eine neue Form der Autorschaft, die zunehmend auf Selektion statt auf Schöpfung basiert.
In meiner Arbeit stelle ich die Frage, wie sich konzeptuelle Ansätze mit digitalen Werkzeugen weiterdenken lassen. Der Prozess der Variation, den LeWitt in seinen Arbeiten nutzte, bildet auch für mich eine Grundlage. Doch während LeWitt die Ausführung delegierte, interessiert mich die Balance zwischen manueller und digitaler Umsetzung: Wie viel Kontrolle gebe ich ab, und wann wird eine Variation zur eigenständigen Arbeit?
Die von der KI generierte Struktur ist präzise und reproduzierbar. Doch erst durch meine bewusste Auswahl und Interpretation wird sie zum künstlerischen Prozess. Als zusätzliches Element entwerfe ich die Layouts händisch am iPad oder im Skizzenbuch, wodurch der kreative Akt und das digitale Medium miteinander verschmelzen und einen neuen, hybriden Arbeitsprozess schaffen.
In meiner Serie The Art Becomes a Machine erforsche ich, wie aus einer klaren Regel eine Vielzahl von Variationen entstehen kann. Sol LeWitt sagte einmal: „The idea becomes a machine that makes the art.“ Diese Denkweise übertrage ich auf die digitale Praxis: Die KI kann Variationen generieren, aber die Auswahl und Umsetzung bleibt der entscheidende künstlerische Akt. Diese Serie bewegt sich an der Schnittstelle von Konzeptkunst, generativer Ästhetik und digitaler Malerei und hinterfragt die Rolle der Autorschaft in einer Zeit algorithmischer Systeme. Ist es jetzt die Maschine, die die Kunst erschafft? Oder bleibt der Mensch die entscheidende Instanz, der die Auswahl trifft und den Rahmen setzt?